Ursache, Symptome und Folgen
der Anaphylaxie

Was genau ist eine Anaphylaxie? Nur eine Allergie? Welche Risikofaktoren gibt es für eine Anaphylaxie? Was ist die Ursache? Und wie sehen die Folgen aus? All diese Fragen beantworten wir Ihnen hier.

Allergische Reaktionen

Ist es eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, eine Allergie oder eine Anaphylaxie? Diese drei Begriffe sollte man klar voneinander unterscheiden. Auch wenn alle drei Begriffe etwas anderes bedeuten, werden sie häufig verwechselt bzw. synonym verwendet – insbesondere, wenn es um Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel geht. Diese werden von vielen Menschen fälschlicherweise mit Nahrungsmittelallergien verwechselt. Doch worin liegen die Unterschiede, was sind die jeweiligen Ursachen und Symptome? Vor allem aber: Welche Auswirkungen kann eine Anaphylaxie haben? Ganz schön viele Fragen, die es hier zu klären gilt.

Von Unverträglichkeit bis Anaphylaxie

 

Unverträglichkeit

Treten nach dem Verzehr von Nahrungsmitteln Bauchschmerzen auf, deutet dies in den meisten Fällen nicht auf eine Allergie, sondern auf eine Unverträglichkeit hin. Ursachen für eine Unverträglichkeit können ganz unterschiedlich sein, z. B. eine Stoffwechselstörung oder eine Lebensmittelvergiftung.1

 

Allergie

Charakteristisch für eine Allergie ist eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf eigentlich harmlose Substanzen – die sogenannten Allergene. Im Zuge einer Allergie werden Botenstoffe wie Histamin freigesetzt, die zu typischen Beschwerden wie Rötungen, Jucken, Atemnot etc. führen können.2

 

Anaphylaxie

Unter einer Anaphylaxie (umgangssprachlich: anaphylaktischer Schock) versteht man eine akut auftretende allergische Reaktion in mehreren Organsystemen wie Herz oder Lunge. Der ganze Körper wird dabei in Mitleidenschaft gezogen.3

Risikofaktoren für Anaphylaxie

Wie kann es dann sein, dass der Kontakt mit einem Allergen manchmal nur zu einer gewöhnlichen Allergie führt und manchmal eine Anaphylaxie auslöst? Die folgenden fünf Risikofaktoren stehen im Zusammenhang mit dem Auslösen einer Anaphylaxie.

Gerade bei jüngeren Menschen stellt die Erdnuss eine Gefahr für eine schwere Anaphylaxie dar.4 Im Berliner Anaphylaxie-Register sind 150 der 665 (22,5 %) gemeldeten Anaphylaxie-Fälle bei unter 17-jährigen auf Erdnüsse zurückzuführen.5 Nach dem Verzehr können innerhalb von 3 Minuten erste Symptome auftreten. Tückisch sind versteckte Erdnussstücke in fetthaltigen Lebensmitteln – das Auftreten der Symptome kann sich dadurch verzögern, der Betroffene verzehrt größere Mengen des Allergens und es treten stärkere anaphylaktische Reaktionen auf.6

Mit steigendem Alter vervielfacht sich das relative Risiko für schwere kardiovaskuläre Allergiesymptome um das 6,06-fache.7

Besonders bei Anaphylaxien, die in Folge einer Insektenallergie entstehen, sind Männer altersunabhängig mehr gefährdet als Frauen. Die Gründe dafür sind weitestgehend unklar. Bekannt ist lediglich, dass antikörpervermittelte Erkrankungen häufiger bei vorpubertären Jungen als bei Mädchen auftreten. Antikörper sind Moleküle, die von bestimmten Immunzellen gebildet werden und hochspezifisch an Strukturen binden, sodass das Immunsystem diese Strukturen erkennt und angreifen kann. Ein weiterer Grund für den Unterschied können Sexualhormone sein, die das Immunsystem beeinflussen können.7 Es gibt aber auch Studien, die belegen, dass Frauen während ihrer fruchtbaren Jahre häufiger von Anaphylaxien betroffen sind als gleichaltrige Männer. Auch während der Menstruation soll es vermehrt zu Anaphylaxien kommen.8

Einige Begleiterkrankungen können zu einem schweren Verlauf einer Anaphylaxie führen. Neben akuten Infekten5 zählen dazu unter anderem:

  • Mastozytose – das Mitführen eines Anaphylaxie-Notfallsets ist unabdingbar7
  • Allergisches Asthma bronchiale, insbesondere bei Lebensmittelallergien5
  • Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, besonders bei Patienten mit Beta-Blockern und ACE-Hemmern7-9

Generell ist ein ärztlich verordnetes Notfallset immer mit sich zu führen.

Sport und Alkoholgenuss sollen Studien zufolge ebenfalls das Risiko einer Anaphylaxie erhöhen. Bis zu 10 % der Anaphylaxien seien auf Sport und bis zu 15 % auf Alkoholgenuss zurückzuführen.8 Über die Gründe wird aber noch wissenschaftlich debattiert: Auf der einen Seite könnten Sport und Alkohol die gesteigerte Aufnahme des Allergens über den Magen-Darm-Trakt begünstigen und damit einen höheren Blutspiegel. Anderseits könnten aber auch enzymatische Zusammenhänge bei der Entstehung der Anaphylaxie eine Rolle spielen.8 Darüber hinaus ist es möglich, dass Alkohol die Risikoeinschätzung verändert und Symptome später wahrgenommen werden.6

Allergieformen

Allergie ist nicht gleich Allergie – die Formen sind sehr vielfältig. Zu den Bekanntesten zählen Heuschnupfen bzw. Pollenallergie, Hausstaubmilbenallergie oder auch die Tierhaarallergie. Eine übersichtliche Auflistung der Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der verschiedenen Allergieformen finden Sie hier.

Mehr zu Allergieformen

Ursache

Etwas vereinfacht ausgedrückt: Die Ursache einer Allergie und einer Anaphylaxie ist identisch. In beiden Fällen reagiert das Immunsystem auf ein Allergen und produziert meistens Antikörper der Klasse E – sogenannte IgE2,3. Die häufigsten Auslöser bei Erwachsenen sind Insektengifte- und Medikamentenallergien. Bei Kindern hingegen sind es Nahrungsmittel – insbesondere Nüsse, Hühnereier und Kuhmilch.3

Insekten und Nahrung

Bei Erwachsenen sind 58 % der Anaphylaxien auf einen Insektenstich (vor allem von Wespen und Bienen) zurückzuführen. Bei Kindern sind 58 % der Anaphylaxien auf eine Nahrungsmittelallergie zurückzuführen.3

Die Voraussetzung für eine Allergie oder Anaphylaxie ist der wiederholte Kontakt mit allergieauslösenden Substanzen (rote/orangefarbene Punkte), den sogenannten Allergenen.2 

Diese Allergene können über die Haut, Schleimhäute und/oder Atemwege in den Körper eindringen. Beim Erstkontakt erkennt das Immunsystem die eingedrungenen Allergene, ohne eine äußerlich erkennbare Reaktion auszulösen – dieser Vorgang wird als ‚Sensibilisierung‘ bezeichnet.2

Im Zuge der Sensibilisierung werden durch ein Zusammenspiel von verschiedenen Zellen des Immunsystems, z. B. T-Helferzellen und B-Zellen, nach Kontakt mit dem Allergen die allergieverantwortlichen IgE-Antikörper gebildet.2

IgE Antikörper binden später an eine weitere Zellart des Immunsystems, die Mastzellen, die über das Blut im ganzen Körper verteilt werden. Der Körper ist damit nach dem Erstkontakt auf das Allergen sensibilisiert, zeigt jedoch erst bei den nachfolgenden Kontakten allergische Reaktionen.2

Kommt der Körper jetzt erneut mit dem Allergen in Kontakt, so bindet dieses an die IgE-Antikörper auf der Oberfläche der Mastzellen. Daraufhin werden diese aktiviert und schütten symptomauslösende Botenstoffe wie z. B. Histamin aus, sodass es zu allergischen Beschwerden kommt.2

Allergietyp

Insgesamt gibt es vier verschiedene Allergietypen. Bei der Anaphylaxie liegt meistens eine Allergie vom Sofort- bzw. Frühtyp (Typ I) vor.2,3 Das bedeutet, dass die Beschwerden bereits Sekunden oder wenige Minuten nach dem Kontakt mit dem Allergen auftreten. Eher seltener, aber durchaus möglich, ist eine verzögerte allergische Reaktion vom Typ II bis IV, die eine Anaphylaxie auslöst.3 Nur beim Sofort- bzw. Frühtyp sind IgE-Antikörper beteiligt.3 Bei den anderen Reaktionstypen spielen andere Prozesse des Immunsystems eine Rolle.2

Typischerweise treten Anaphylaxien im Zuge einer allergischen Sofortreaktion innerhalb von wenigen Sekunden bis Minuten auf. Sie werden durch IgE-Antikörper und die Freisetzung von allergischen Botenstoffen, vor allem Histamin, ausgelöst. Nach 4 bis 6 Stunden kann es zu einer zweiten Reaktion kommen.10

Dieser Reaktionstyp ist eher selten und tritt beispielsweise auf, wenn eine Bluttransfusion mit der falschen Blutgruppe erfolgt ist und die Blutkörperchen dadurch zerstört werden. Es kann jedoch auch nach Einnahme bestimmter Medikamente innerhalb von wenigen Minuten oder Stunden (6 bis 12 Stunden) zu dieser Reaktion kommen.11

Bei Typ III-Reaktionen werden Komplexe aus Antikörpern und Antigenen (Reaktionspartner der Antikörper) gebildet, die zur Freisetzung von schädlichen Substanzen im Gewebe führen. Die allergische Reaktion kann 6 bis 12 Stunden nach Kontakt mit dem Allergen auftreten.2

Bei diesem Reaktionstyp treten überwiegend Symptome auf der Haut auf, z. B. ein Kontaktekzem aufgrund einer Nickelallergie. Diese Allergien werden direkt von Immunzellen statt von Antikörpern ausgelöst und treten üblicherweise 12 bis 72 Stunden nach Kontakt mit dem Allergen auf.10

Symptome

Rötungen und Schwellungen z.B. auf der Haut oder im Gesicht, Atemnot, Verdauungsbeschwerden sowie Juckreiz und Quaddeln – Allergiker kennen diese Beschwerden zu Genüge. Bei einer Anaphylaxie bleibt es aber nicht dabei. Es können zum Teil schwerwiegende oder potenziell lebensgefährliche Beschwerden auftreten. Je nach Schweregrad der Anaphylaxie sieht das Krankheitsbild etwas anders aus und wird deswegen in verschiedene Stadien eingeteilt.12

Symptome und Stadien der Anaphylaxie12

Grad Haut- und subjektive Allgemeinsymptome Magen-Darm-Trakt Atemwege Herz-Kreislauf-System
I Juckreiz, Hautrötung,Quaddeln, Hautschwellung      
II Juckreiz, Hautrötung,Quaddeln, Hautschwellung Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe Laufende Nase, Heiserkeit, Atemnot Herzrasen, Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen
III Juckreiz, Hautrötung,Quaddeln, Hautschwellung Erbrechen, Durchfall Kehlkopfschwellung, Atemkrämpfe, Blausucht (Blaufärbung von Haut und Schleimhäuten) Schock
IV Juckreiz, Hautrötung,
Quaddeln, Hautschwellung
Erbrechen, Durchfall Atemstillstand Kreislaufstillstand

Frühe Warnsignale

Häufig treten folgende frühe Warnsignale allein oder in Kombination bei einer Anaphylaxie auf:12

  • Juckreiz oder Brennen an Handinnenflächen, Fußsohlen oder im Genitalbereich
  • Metallischer Geschmack auf der Zunge
  • Brennen oder Kribbeln an der Zunge und/oder am Gaumen
  • Schluckbeschwerden
  • Angstgefühle
  • Kopfschmerzen
  • Desorientierung

Quellen:

  1. Worm M , et al. Nahrungsmittelallergie – Was ist das? Allergieinformationsdienst – HelmholtzZentrum münchen. URL: www.allergieinformationsdienst.de/krankheitsbilder/nahrungsmittelallergie/grundlagen.html aufgerufen am 15.01.2021.

  2. Dehmel S, et al. Wie entsteht eine Allergie? Allergieinformationsdienst – HelmholtzZentrum münchen. www.allergieinformationsdienst.de/immunsystem-allergie/entstehung-von-allergien.html aufgerufen am 15.01.2021.

  3. Treudler R, et al. Anaphylaxie – Grundlagen. Allergieinformationsdienst – HelmholtzZentrum münchen. URL: www.allergieinformationsdienst.de/krankheitsbilder/anaphylaxie/grundlagen.html aufgerufen am 15.01.2021.

  4. Worm M, et al. Auslöser und Therapie der Anaphylaxie. Dtsch Arztebl Int. 2014; 111:367-75.
  5. Treudler R, et al. Anaphylaxie – Risikofaktoren. Allergieinformationsdienst – HelmholtzZentrum münchen. URL: www.allergieinformationsdienst.de/krankheitsbilder/anaphylaxie/risikofaktoren.html aufgerufen am 15.01.2021.

  6. Smith PK, et al. Risk multipliers for severe food anaphylaxis. World Allergy Organ J. 2015; 8(1):30.
  7. Worm M et al. Causes and risk factors for anaphylaxis. J Dtsch Dermatol Ges. 2013; 11(1):44-50.
  8. Munoz-Cano R, et al. Mechanism, Cofactors, and Augmenting Facotrs involved in Anaphylais. Front Immunol. 2017; 8:1193.
  9. Clark S, et al. Risk factors for severe anaphylaxis in patients receiving anahylaxis treatment in US emergency deprtments and hospitals. J Allergy Clin Immunol. 2014; 134(5):1125-30.Coombs RRA, et al. The Classification of allergic reactions underlying disease. Clinical aspects of immunology. Davis, Philadelphia 1963.
  10. Lungenärzte im Netz. Immunologische Einteilung. Deutsche Lungenstiftung e.V. URL: www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/allergien-allgemein/verschiedene-allergietypen/immunologische-einteilung/ aufgerufen am 15.01.2021.

  11. Treudler R, et al. Anaphylaxie – Symptome. Allergieinformationsdienst – HelmholtzZentrum münchen. URL: www.allergieinformationsdienst.de/krankheitsbilder/anaphylaxie/symptome.html aufgerufen am 15.01.2021.

Pflichttext

Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.